Gerichtsurteile zu Gesundheitswerbung

Stand:
Gerichte haben immer wieder über Gesundheitswerbung zu entscheiden. Etwa darüber, wie Pharmaunternehmen oder Versandapotheken für Arzneimittel oder Ärzte für ihre Dienstleistungen Werbung machen dürfen. Hier eine Übersicht jüngerer Gerichtsentscheidungen, die Verbraucherrechte gestärkt haben.
Justitia Gericht Urteil Recht

Gerichte haben immer wieder über Gesundheitswerbung zu entscheiden. Etwa darüber, wie Pharmaunternehmen oder Versandapotheken für Arzneimittel oder Ärzte für ihre Dienstleistungen Werbung machen dürfen. Hier eine Übersicht jüngerer Gerichtsentscheidungen, die Verbraucherrechte gestärkt haben.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Bei Gesundheits- und Lebensmittelwerbung kommt es häufig zu Rechtsstreitigkeiten, wenn Anbieter den Gesetzesrahmen bewusst überschreiten, um mehr Reichweite zu erzielen.
  • Wettbewerbs- und Verbraucherzentralen mahnen unzulässige Werbung ab und bringen diese notfalls vor Gericht, um eine weitere Irreführung von Verbraucherinnen und Verbrauchern zu verhindern.
  • Auch bei der Anpreisung von Nahrungsergänzungsmitteln und neuartigen Lebensmitteln („Novel Foods“) kommt es immer wieder zu rechtlichen Auseinandersetzungen, die teilweise auch Grauzonen offenlegen.
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Urteile zum Thema Heilmittelwerbung


Irreführend: Mit Homöopathie „effektiv gegen Kopfschmerzen“

In dieser Entscheidung hat das Oberlandesgericht München eine Werbung für das homöopathische Präparat „Neodolor“ als irreführend angesehen, da die Werbung (unter anderem: „Neodolor wirkt effektiv gegen Kopfschmerzen“ und „Neodolor bekämpft Kopfschmerzen zuverlässig“) den fälschlichen Eindruck hervorrief, dass im Regelfall ein sicherer Heilungserfolg erwartet werden könne. Weiterhin hielt das Gericht die Werbung auch deshalb für irreführend, weil die Formulierungen „bestens verträglich“, „ohne bekannte Neben- und Wechselwirkungen“ und „optimale Verträglichkeit dank natürlicher Wirkstoffe“ gegenüber einem Durchschnittsverbraucher ein falsches Bild von möglichen Nebenwirkungen erzeugten. In Wirklichkeit war sogar in der Packungsbeilage zu lesen, dass sich bei der Einnahme von Neodolor die vorhandenen Beschwerden vorübergehend verschlimmern können.

OLG München, Urteil vom 04.05.2017 (Az. 29 U 335/17)


Knoblauchextrakt-Pulver ist kein Arzneimittel

In dieser Streitsache der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland hatte der Europäische Gerichtshof darüber zu entscheiden, ob ein in Form von Kapseln in den Verkehr gebrachtes Knoblauchpräparat als Arzneimittel einzustufen und nach den strengen Vorschriften des Arzneimittelrechts zu behandeln war. Da die Wirkungen des Knoblauchextrakt-Pulvers nach Ansicht des Gerichts nicht über die Wirkungen hinausgingen, die ein in angemessener Menge verzehrtes Lebensmittel auf die Körperfunktionen hätte, verneinte der EuGH diese Frage im Ergebnis. Das Arzneimittelrecht findet auf derartige Erzeugnisse daher keine Anwendung.

EuGH, Urteil vom 15.11.2017 (Az. C-319/05)


Erkältungsspray: Wirkung wissenschaftlich nicht nachweisbar

In diesem Fall ging es um die Werbung für ein Erkältungsspray, welches unter anderem mit dem Versprechen „Das Mundspray wirkt lokal und bekämpft die Ursache der Erkältung - die Erkältungsviren. […] Das Erkältungsspray mit natürlichen Enzymen bildet einen Schutzfilm im Mund- und Rachenraum, genau dort, wo sich die Erkältungsviren ansiedeln und vermehren.“ beworben wurde. Das Gericht hat hierzu entschieden, dass die beworbene Wirkung nicht hinreichend wissenschaftlich belegt sei. Vielmehr seien die Werbeaussagen fachlich umstritten und die versprochene Reduzierung des Erkältungsrisikos nicht hinreichend nachgewiesen. Eine solche Werbung, die einem Arzneimittel therapeutische Wirkungen zuschreibt, die nach aktuellem Stand der Wissenschaft nicht nachweisbar sind, ist nach dem Heilmittelwerbegesetz unzulässig.

OLG Frankfurt, Urteil vom 06.12.2018 (Az. 6 U 125/18)


Hinweis „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie…“ darf nicht am Ende einer Internetseite versteckt sein

Nach § 4 Abs. 3 Heilmittelwerbegesetz (HWG) ist bei einer Werbung für Arzneimittel außerhalb der Fachkreise stets der Zusatz „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“ gut lesbar und von den übrigen Werbeaussagen deutlich abgegrenzt anzugeben. Wie das Oberlandesgericht Köln in diesem Verfahren entschied, wird diese Verpflichtung nicht dadurch gewahrt, dass auf einer Internetseite nach der Werbung für ein einzelnes Produkt zunächst etliche andere Werbe- und Seiteninhalte folgen und erst am Ende der Internetseite der oben genannte Hinweis zu finden ist, zu dem sich der Verbraucher mehrfach durchscrollen muss.

OLG Köln, Urteil vom 13.03.2020 (Az. 6 U 201/19)


Vitalpilze gegen COVID-19: Keine Belege

In dieser aktuellen Entscheidung zeigt sich, wie dubiose Anbieter vermehrt versuchen, das Thema Corona und die daraus resultierenden Sorgen der Verbraucherinnen und Verbraucher für ihre wirtschaftlichen Zwecke zu nutzen. Konkret warb ein Institut für Ernährungs- und Pilzheilkunde mit „Vitalpilzen“, die angeblich vor einer Infektion mit dem COVID-19-Virus schützen sollten. Das Gericht ordnete dieses Produkt als sog. Präsentationsarzneimittel ein, d.h. als einen Stoff, der aus Verbrauchersicht zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten bestimmt ist (auch wenn diese Wirkung tatsächlich nicht nachgewiesen ist). Dementsprechend kamen auch die für Arzneimittel anwendbaren strengen Vorschriften des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) zum Tragen. Nach diesen stellte sich die Werbung des Instituts mangels wissenschaftlicher Belege für die von ihm behauptete Wirkung als irreführend dar.

LG Gießen, Beschluss vom 06.04.2020 (Az. 8 O 16/20)


Sinupret: Entzündungshemmende und antivirale Wirkung wissenschaftlich nicht ausreichend nachgewiesen

In höchster Instanz hatte der Bundesgerichtshof hier über die Werbeaussagen des Herstellers des apothekenpflichtigen Arzneimittels Sinupret® extract zu entscheiden. Diesem wurde in der Werbung eine entzündungshemmende und antivirale Wirkung zugeschrieben. Dies hielt der Senat für irreführend im Sinne des § 3 S. 1 und 2 Nr. 1 Heilmittelwerbegesetz (HWG), da derartige Wirkungsversprechen nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen. Insbesondere liegen in Bezug auf etwaige entzündungshemmende und/oder antivirale Wirkungen keine human-pharmakologischen Studien vor, welche dieses Heilversprechen hätten belegen können.

BGH, Urteil vom 05.11.2020 (Az. I ZR 204/19)


Werbung mit Corona-Bezug für PCR-Test-Kits auf Amazon unzulässig

In diesem Eilverfahren hat das Landgericht Hamburg eine Werbung für PCR-Test-Kits untersagt, nachdem auf der Verkaufsplattform Bezüge zur Corona-Virus-Krankheit (COVID-19) hergestellt wurden, die nicht nur einer reinen Produktbeschreibung entsprachen. Da es sich bei COVID-19 um eine nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtige Krankheit handelt, ist eine Werbung außerhalb der Fachkreise unter Bezugnahme auf dieses Krankheitsbild generell untersagt (§ 12 Abs. 2 Heilmittelwerbegesetz).

LG Hamburg, Urteil vom 17.11.2020 (Az. 416 HKO 144/20)


Unternehmen dürfen allgemeine Zitate von Ärzt:innen für Produktwerbung verwenden

Kann sich ein Arzt dagegen wehren, wenn ein Hersteller von Medizinprodukten damit Werbung macht, indem er diesen Arzt ohne dessen Zustimmung zitiert? Diese Frage hat das Oberlandesgericht Köln kürzlich mit Nein beantwortet, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache aber die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Wenn der Arzt in der Öffentlichkeit allgemeine fachliche Äußerungen zum betroffenen Krankheitsbild macht, darf ein Unternehmen nach Ansicht des Gerichts diese Aussagen in der Werbung zitieren. Dies gelte zumindest dann, wenn die fachliche Kompetenz des Arztes nicht auf das konkret beworbene Produkt übertragen werde.

OLG Köln, Urteil vom 28.10.2021 – Az. 15 U 230/20


Auch Krankenversicherungen dürfen nicht für jede Fernbehandlung werben
 
Krankenkassen geben sich gerne modern und digital. In diesem Fall ging eine private Krankenversicherung jedoch zu weit, indem sie mit dem Angebot eines "digitalen Arztbesuchs" per App Werbung machte. Die Versicherten sollten bei gesundheitlichen Problemen über eine Video-Sprechstunde mit Ärzt:innen in der Schweiz Kontakt aufnehmen. Zwar sind telemedizinische Behandlungen und die Werbung hierfür nicht mehr in jedem Fall verboten. Zulässig ist eine Werbung gemäß § 9 HWG jedoch nur dann, wenn die Fernbehandlung allgemein anerkannten fachlichen Standards entspricht. Hierauf hätte sich die Werbung der Krankenversicherung beschränken müssen.
 
BGH, Urteil vom 09.12.2021 - Az. I ZR 146/20
 

 Gesundheitswerbung für Medizinprodukte nur mit wissenschaftlicher Absicherung

Durch das Inkrafttreten der neuen EU-Verordnung für Medizinprodukte im Jahr 2021 stellte sich jüngst die Rechtsfrage, ob Anbieter nun einfacher als früher mit Gesundheitsversprechen werben dürfen. Nein, sagt das Oberlandesgericht Frankfurt am Main und entschied damit gegen den Hersteller der "Luvos Heilerde". Eine gesundheitsbezogene Werbung für das Medizinprodukt ist auch nach neuer Rechtslage nur dann zulässig, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht. Zitat: "Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn dem Werbenden jegliche wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse fehlen, die die werbliche Behauptung stützen können oder wenn mit einer fachlich umstrittenen Meinung geworben wird, ohne die Gegenmeinung zu erwähnen."

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 02.12.2021 (Az. 6 U 121/20)

Urteile zum Thema Werbung von Ärzten


Bleaching: Preisbeispiele beim Zahnarzt rechtens

In diesem vor dem Verwaltungsgericht Münster verhandelnden Verfahren ging es darum, auf welche Weise ein Zahnarzt für Bleaching-Behandlungen werben darf. Die Zahnärztekammer hatte dem  klagenden Zahnarzt untersagt, auf seiner Homepage mit Mindestpreisen und Preisbeispielen für die von ihm durchgeführten Bleaching-Behandlungen zu werben. Das Verwaltungsgericht entschied, dass diese Werbung zulässig war, da der Zahnmediziner weder mit einer unzulässigen Preisangabe noch mit einem Fest- oder Pauschalpreis geworben habe. Es befand die Preisinformationen auf der Homepage des Zahnarztes daher als angemessen und berufsrechtlich nicht zu beanstanden.

VG Münster, Urteil vom 22.11.2017 (Az. 5 K 4424/17)


Do-it-yourself-Zahnschienen untersagt

Zähne begradigen ohne Zahnarztkontakt, den Abdruck selbst gemacht und eingeschickt – dieses Geschäftsmodell ist seit diesem Verfahren hinfällig: Das Landgericht Berlin stufte die Werbung für eine Fernbehandlung zur Korrektur der Zahnstellung als unzulässig ein. Denn eine solche Werbung ist nach Paragraf 9 des Heilmittelwerbegesetzes nur in Ausnahmefällen zulässig, wenn nach allgemein anerkannten fachlichen Standards ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit dem Patienten nicht erforderlich ist. Dies setzt allerdings voraus, dass eine ordnungsgemäße Behandlung und Beratung des Patienten unter Einsatz von Kommunikationsmedien grundsätzlich möglich ist. Ein solcher Ausnahmefall lag hier nach Ansicht der Kammer nicht vor.

LG Berlin, Urteil vom 11.11.2019 (Az. 101 O 134/18)


Wettbewerbswidrig: Ärzte als zahlende Premiumkunden auf Bewertungsplattform

2019 hatte das Kölner Oberlandesgericht über die Zulässigkeit der Ausgestaltung der Ärzte-Bewertungsplattform „Jameda“ zu entscheiden. Das Gericht stellte fest, dass diese ihre Rolle als neutrales Informations- und Bewertungsportal dadurch überschritten habe, dass (zahlende) Premiumkunden und (nicht zahlende) Basiskunden unterschiedlich behandelt wurden. Bei Ärzten, die sich als Premiumkunden angemeldet hatten, fehlte beispielsweise ein Feld, das dem Seitenbesucher weitere Ärzte in der Nähe, d.h. die örtliche Konkurrenz des Premium-Mitglieds, anzeigte. Dies hielten die Richter für wettbewerbswidrig.

OLG Köln, Urteil vom 14.11.2019 (Az. 15 U 126/19)


Unzulässig: Werbung für „perfekte Zähne“

Dieses Verfahren hatte einen Streit zwischen zwei Kieferorthopädinnen zum Gegenstand. Anlass war die Werbung einer der beiden Kieferorthopädinnen, die unter anderem das Versprechen „perfekter Zähne“ enthielt. Das Frankfurter Oberlandesgericht gab der Klage ihrer Konkurrentin statt und hielt diese Formulierung ebenfalls für ein unzulässiges Erfolgsversprechen. Nach dem Heilmittelwerbegesetz ist eine Werbung irreführend, wenn fälschlich der Eindruck erweckt wird, dass ein Behandlungserfolg mit Sicherheit erwartet werden könne.

OLG Frankfurt, Urteil vom 27.02.2020 (Az. 6 U 219/19)


Zahnarztpraxis darf mit der Bezeichnung "Zahnspezialisten" werben

Hintergrund dieses Verfahrens war eine Klage der Bayerischen Landeszahnärztekammer gegen eine zahnärztliche Gemeinschaftspraxis, die unter der Bezeichnung "Zahnspezialisten Passau" firmiert. Während das erstinstanzliche Landgericht Passau diese Werbung noch als irreführend untersagt hatte, bekam die Gemeinschaftspraxis jetzt vor dem Oberlandesgericht München Recht: Das Gericht war der Auffassung, dass die angesprochenen Patient:innen nicht der Fehlvorstellung unterlägen, dass die Mitarbeitenden der Praxis Fachleute mit einer besonderen zahnärztlichen Spezialisierung seien. Verbraucher:innen würden aufgrund dieser Angabe keine Leistungen erwarten, welche über diejenigen hinausgehen, die auch normale Zahnarztpraxen erbringen.

OLG München, Urteil vom 05.03.2020 - Az. 29 U 830/19


Werbung für Krankenschein via WhatsApp ist rechtswidrig

Kann man als Arzt damit werben, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Rahmen einer Fernbehandlung über das Internet auszustellen? Nein, sagte das Oberlandesgericht Hamburg und bestätigte damit das vom Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) bereits in erster Instanz erstrittene Urteil. Das Gericht bejahte einen Verstoß gegen das Werbeverbot für Fernbehandlungen in § 9 Heilmittelwerbegesetz (HWG). Das Verfahren zur Ausstellung des Krankenscheins entspreche nicht den allgemein anerkannten fachlichen Standards, da der Arzt darin zu keinem Zeitpunkt in Kontakt mit dem Patienten komme und die Diagnose ausschließlich auf den Antworten des Patienten auf vorformulierte Fragen beruhe.

OLG Hamburg, Urteil vom 05.11.2020 (Az. 5 U 175/19)


Bewertungsportale dürfen vor mutmaßlich gekauften Bewertungen warnen

Dass nicht alle im Internet veröffentlichten Bewertungen - auch zu Ärztinnen und Ärzten - objektiv und wahrheitsgemäß sind, ist längst kein Geheimnis mehr. Wie das Oberlandesgericht Frankfurt nun gegen einen Zahnarzt entschieden hat, darf das bekannte Bewertungsportal Jameda im Falle eines Verdachts gefälschter positiver Bewertungen auf Zweifel an der Authentizität hinweisen. Voraussetzung ist, dass das Portal den Arzt vorher mit dem Verdacht konfrontiert hat und sich dieser nicht zu Gunsten des Arztes aufklären ließ. Es gelten die Grundsätze der sogenannten "Verdachtsberichtserstattung".

OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 19.11.2020 (Az. 16 W 37/20)


Keine Werbung für Bauchdeckenstraffung mit musikuntermaltem Video

Nach ärztlichem Berufsrecht sind Ärzt:innen nur sachliche berufsbezogene Informationen gestattet, eine anpreisende oder irreführende Werbung hingegen verboten. Einen Fall berufsrechtswidriger Werbung hatte nun das Landgericht Düsseldorf zu entscheiden: Ein Schönheitschirurg hatte auf seiner Webseite ein Video veröffentlicht, in dem – musikalisch untermalt – verschiedene Sequenzen einer Bauchdeckenresektion zu sehen waren. Dies gehe, so die Ansicht des Gerichts, über eine sachliche und interessengerechte Information hinaus und bediene sich den Mitteln einer reißerischen, auf die Erregung von Aufmerksamkeit abzielenden Darstellung.

LG Düsseldorf, Urteil vom 05.02.2021 – Az. 38 O 45/20


Werbung mit "Zahnarzt für Kieferorthopädie" ohne entsprechende Weiterbildung irreführend
 
Zahnärztinnen und Zahnärzte können sich zu Kieferorthopäd:innen qualifizieren, indem sie eine dreijährige Weiterbildung zum Fachzahnarzt bzw. zur Fachzahnärztin für Kieferorthopädie absolvieren. Der hier von der Wettbewerbszentrale erfolgreich verklagte Zahnmediziner verfügte nicht über einen solchen Fachzahnarzttitel, warb allerdings für seine Praxis unter Verwendung des Begriffs "Zahnarzt für Kieferorthopädie". Dies ist nach Auffassung des Gerichts irreführend, da hierdurch gegenüber Patient:innen der Eindruck erweckt werde, dass er Fachzahnarzt für Kieferorthopädie sei. Er muss sich im Übrigen die unzulässige Berufsbezeichnung zurechnen lassen, wenn er unter dieser in Internet-Suchmaschinen zu finden ist, auch wenn er die Einträge möglicherweise nicht selbst veranlasst hat.
 
OLG Oldenburg, Urteil vom 30.04.2021 (Az. 6 U 263/20)
 

Unzulässige Werbung für Fernbehandlung durch Versandapotheke
 
Für Fernbehandlungen darf nach § 9 Heilmittelwerbegesetz (HWG) nur geworben werden, wenn diese ärztlich vertretbar sind. Dies ist nach Ansicht des Landgerichts Köln nicht der Fall, wenn sich die telemedizinische Behandlung in dem Ausfüllen eines Fragebogens auf einer Internetseite erschöpft. Die Richter betonten dabei, dass im Grundsatz zu jeder Behandlung nach allgemeinen fachlichen Standards eine Basisuntersuchung mit Funktionsprüfungen des Körpers gehöre. Dies ist im Rahmen eines reinen Online-Fragebogens nicht möglich. Die Versandapotheke hatte auf ihrer Webseite für eine selbst ernannte "Online-Arztpraxis" geworben, die unter anderem Rezepte für Arzneimittel bei Asthma, Diabetes Typ 2 oder Erektionsstörungen ausstellt.
 

LG Köln, Urteil vom 19.10.2021 (Az. 31 O 20/21)


Bestätigung des Grundsatzes der Trennung von ärztlicher und gewerblicher Tätigkeit
 

In einem Verfahren der Wettbewerbszentrale gegen einen Facharzt für Dermatologie sowie Gründer und Leiter einer deutschlandweiten vertretenen Klinikgruppe hat das Landgericht Frankfurt diesen dazu verurteilt, es zu unterlassen, im Zuge der Werbung für seine ärztliche Tätigkeit für die nach ihm benannte Pflegeserie oder für ein Behandlungsgerät namens „E.“ zu werben. Das Urteil wurde rechtskräftig, da der Arzt seine Berufung gegen diese Entscheidung kurz vor der mündlichen Verhandlung Mitte Dezember 2022 zurückgenommen hat.

Hintergrund ist, dass auf der Webseite der Klinikgruppe nicht nur die ärztlichen Dienstleistungen dargestellt wurden, sondern in einen Online-Shop auch Kosmetikprodukte angeboten und auf das Gerät namens „E.“ als „Beauty-Revolution“ verwiesen wurde. Für das LG Frankfurt ist im Hinblick auf die berufsrechtlichen Regelungen sowohl die Werbung für die eigene Pflegeserie als auch für das Fremdprodukt unzulässig. Auch die Nennung des Gerätenamens sei berufswidrig. Das Gericht stellt klar, dass es Ärzt:innen grundsätzlich nicht verboten sei, für deren ärztliche oder gewerbliche Tätigkeit zu werben. Wenn es allerdings geschieht, müssten die einzelnen Bereiche klar voneinander abgegrenzt sein. Zusätzlich vermittle Fremdwerbung den Anschein, dass der Arzt dadurch finanzielle Vorteile habe.

LG Frankfurt, Urteil vom 29.10.2021 (Az.3 -10 O 27/21)


Irreführend: Fokus-Siegel für Ärzt:innen

Das Landgericht München I bestätigt die Auffassung der Unterlassungsklage eines Verbraucherschutzverbandes bezüglich der Verleihung und Publizierung des „Ärzte-Siegel“ des Magazins Focus. Ein Verbraucherschutzverband hatte geklagt, da der Verlag gegen Entgelt (rund 2000 Euro) an Ärzt:innen Siegel verleiht, welche werblich genutzt werden können. Dafür werden sie als „Top Mediziner“ bezeichnet oder weisen eine „Focus Empfehlung“ auf. Laut dem Landgericht verstößt dies gegen das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot. Das Siegel gleiche einem Prüfzeichen und damit würde fälschlicherweise der Eindruck sachgerechter Überprüfung der Mediziner:innen erweckt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.


LG München I, Urt. v. 13.02.2023, Az. 4 HKO 14545/21

Urteile zum Thema Lebensmittel / Nahrungsergänzungsmittel


Gesundheitsversprechen über Botanicals können nach der Health-Claims-Verordnung unzulässig sein

Darf man ein pflanzliches Mittel als „Fat Burner“ anpreisen, welches das Körpergewicht verringere, die Fettverbrennung fördere und den Bauch- und Hüftumfang reduziere? Diese Frage hatte das Frankfurter Oberlandesgericht hier zu entscheiden und hielt die genannten Werbeaussagen für unzulässig. Zwar sei die Prüfung der Vereinbarkeit gesundheitsbezogener Angaben mit der Health-Claims-Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 für sog. Botanicals (pflanzliche Stoffe und Zubereitungen) derzeit durch die Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zurückgestellt. Die in der Verordnung enthaltene Übergangsregelung sieht jedoch vor, dass gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel, die bisher nicht zugelassen wurden, nur weiterverwendet werden dürfen, sofern vor dem 19.01.2008 ein Zulassungsantrag gestellt wurde. Dies war hier nicht der Fall.

OLG Frankfurt, Urteil vom 29.05.2019 (Az. 6 U 38/18) – noch nicht rechtskräftig


Zugelassener Health Claim darf nur für Inhaltsstoff, nicht für Produkt insgesamt verwendet werden

In diesem Verfahren ging es insbesondere um die Werbeaussage „Honig lässt den Blutzuckerspiegel langsamer ansteigen als Industriezucker, ein deutlich niedrigerer glykämischer Index als bei raffiniertem Zucker ist die Folge“. Diese gesundheitsbezogene Angabe ist nach der  Health-Claims-Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 unzulässig, zumindest wenn sie sich generell auf das beworbene Lebensmittel (hier: Honig) und nicht speziell auf einen Inhaltsstoff (hier: Fructose) bezieht, für welchen ein durch Aufnahme in die Gemeinschaftsliste zugelassener Health Claim vorliegt. Solange für das Lebensmittel an sich kein zugelassener Health Claim existiert, darf sich die Werbung mit diesem Gesundheitsversprechen auch nicht auf das ganze Produkt beziehen.

OLG Celle, Urteil vom 06.09.2019 (Az. 13 U 69/18)


CBD-Öl darf nicht ohne Zulassung verkauft werden

Cannabidiol (CBD) ist ein gefragtes Extrakt aus der Hanfpflanze. Im Internet gibt es zahlreiche CBD-Produkte. Das Oberverwaltungsgericht NRW bestätigte aber Anfang 2020 ein weiteres behördliches Verbot des Verkaufs von CBD-haltigen Nahrungsergänzungsmitteln. Konkret ging es im Wesentlichen um die Frage, ob es sich bei dem CBD-Extrakt um ein neuartiges Lebensmittel im Sinne der Novel-Food-Verordnung (EU) Nr. 2283/2015 handelt. Das Oberverwaltungsgericht bejahte diese Frage – wie schon das Verwaltungsgericht Düsseldorf in erster Instanz – mit der Folge, dass die angebotenen Produkte der Zulassung bedürfen und ohne eine solche nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen.

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.01.2020 (Az. 13 B 1423/19)


Pepsin-Kapseln: Lebensmittel oder Arzneimittel?

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte sich in diesem Verfahren mit der Frage zu befassen, ob der Vertrieb von "Pepsin-Kapseln" der behördlichen Zulassung bedarf, da es sich um ein neuartiges Lebensmittel im Sinne der Novel-Food-Verordnung (EU) Nr. 2283/2015 handelt. Pepsin, auch Peptidase genannt, ist ein Verdauungsenzym und fördert den Abbau von mit der Nahrung aufgenommenen Proteinen. Das Gericht kam im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu dem Ergebnis, dass derzeit nicht mit hinreichender Sicherheit geklärt sei, dass es sich bei Pepsinpulver überhaupt um ein Lebensmittel oder nicht doch um ein Arzneimittel handelt. Diese entscheidungserhebliche Rechtsunsicherheit führte letztlich dazu, dass das Unternehmen die Pepsin-Kapseln einstweilen weiter vertreiben darf, bis über die Klage in der Hauptsache entschieden ist.

VGH Bayern, Beschluss vom 02.04.2020 (Az. 20 CE 20.286)


CBD-Tropfen sind zulassungspflichtiges Arzneimittel

Die Frage, wann ein Erzeugnis nicht mehr nur Lebensmittel, sondern Arzneimittel ist und damit der Zulassungspflicht unterliegt, beschäftigt immer wieder die Gerichte. So auch in diesem Fall, in dem das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bei zwei als Nahrungsergänzungsmittel verkauften CBD-Tropfen die Arzneimitteleigenschaft feststellte. Die hiergegen gerichtete Klage des Herstellers hatte keinen Erfolg, da auch das Verwaltungsgericht Köln dem Inhaltsstoff Cannabidiol eine pharmakologische Wirkung attestierte. Dafür spreche auch die Tatsache, dass seit 2019 mit "Epidyolex" ein Arzneimittel mit dem alleinigen Wirkstoff CBD in der EU zugelassen sei.

VG Köln, Urteil vom 22.03.2022 (Az. 7 K 954/20)


Unterlassungsverpflichtung gilt auch für Werbung von Geschäftspartnern
 
Wenn die Verbraucherzentralen, wie hier die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, ein Unternehmen erfolgreich abmahnen, ist dieses zur Unterlassung der beanstandeten Werbung verpflichtet. Bei einem Verstoß wird eine Vertragsstrafe fällig. Dies kann auch für Verstöße gelten, die nicht von dem Anbieter selbst, sondern von einem Dritten begangen werden. Voraussetzung für diese Dritthaftung ist nach Ansicht des Oberlandesgerichts München, dass das Unternehmen erstens mit einem solchen Verstoß rechnen muss und zweitens auf das Verhalten des Dritten so Einfluss nehmen kann, dass dieser die unzulässige Werbung beseitigt. Damit dürfte insbesondere die bei Nahrungsergänzungsmitteln verbreitete Werbung durch scheinbar selbstständige Influencer:innen leichter zu verfolgen sein.
 

OLG München, Urteil vom 05.05.2022 - Az. 29 U 7400/20


CBD-Tofu muss als neuartiges Lebensmittel zugelassen werden

Tofu, der Cannabidiol (CBD) enthält, muss als neuartiges Lebensmittel zugelassen werden. Aufgrund des Fehlens einer solchen Novel-Food-Zulassung für CBD auf europäischer Ebene untersagte die Lebensmittelbehörde dem Anbieter in diesem Fall den Verkauf. Mit Recht, wie das Verwaltungsgericht Trier in dieser Sache entschied. Rechtlicher Hintergrund ist, dass neuartige Lebensmittel wie CBD, die vor 1997 nicht in nennenswertem Umfang in der Europäischen Union verzehrt wurden, nach Prüfung ihrer gesundheitlichen Unbedenklichkeit von der Europäischen Kommission zugelassen werden müssen. Eine solche Zulassung existiert momentan für CBD noch nicht.

VG Trier, Urteil vom 11.03.2022 (Az. 6 K 3630/21)


Vermarktung von CBD als Aromaextrakt schützt nicht vor Zulassungspflicht

Kann man ein CBD-haltiges Lebensmittel einfach als Aromaextrakt in den Verkehr bringen, um der Zulassungspflicht zu entgehen? Nein, urteilte nun der Bayerische Verwaltungsgerichtshof und bestätigte damit die erstinstanzliche Entscheidung des Verwaltungsgerichts Regensburg. Nur die Bezeichnung als "Aroma" oder "Aromaextrakt" ändert noch nichts an dem Novel-Food-Status des Produkts. Die Zusetzung von Cannabidiol (CBD) diente hier jedoch nach Ansicht der Richter ernährungsphysiologischen Zwecken und nicht der aromatisierenden Wirkung. Damit handelte es sich also um einen klassischen "Etikettenschwindel".

Bayerischer VGH, Beschluss vom 07.03.2022 (Az. 20 CS 22.307)


Enge Definition für Lebensmittel für besondere Zwecke

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Bedingungen, unter denen Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke angeboten werden dürfen, konkretisiert. Auf Basis der aktuell geltenden EU-Verordnung Nr. 609/2013 trifft die Einstufung als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke nur dann zu, „wenn krankheitsbedingt ein erhöhter oder spezifischer Nährstoffbedarf besteht, der durch das Lebensmittel gedeckt werden soll“ und eine Neuausrichtung der normalen Ernährung nicht ausreicht. Es genügt nicht, „dass der Patient allgemein aus der Aufnahme dieses Lebensmittels deswegen Nutzen zieht, weil darin enthaltene Stoffe der Störung entgegenwirken oder deren Symptome lindern.“ Solche Effekte unterliegen den Regelungen für zulassungspflichtige Arzneimittel.

Ausgangspunkt war eine Klage des Verbandes Sozialer Wettbewerb e.V. gegen die Firma Orthomol. Dieser sollte untersagt werden, die Produkte ORTHOMOL IMMUN und ORTHOMOL AMD als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke (bilanzierte Diät) zur „ernährungsmedizinischen Unterstützung des Immunsystems“ bzw. „zum Diätmanagement bei fortgeschrittener altersabhängiger Makuladegeneration“ (AMD) in Verkehr zu bringen. Die Begründung basiert darauf, dass es sich bei den Anwendungsbereichen nicht um Krankheiten handelt, die dazu führen, dass gewöhnliche Lebensmittel und die darin enthaltenen Nährstoffe nicht mehr aufgenommen und verwertet werden können.

EuGH: Rechtssachen C-418/21, Urteil vom 27.10.2022

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